Hilfe, mein Kind langweilt sich zuhause (- und ich auch)!

Hilfe, mein Kind langweilt sich zuhause – und ich auch! Über Langeweile, sinnvolle Aufgaben, freies Spielen und warum wir unsere Kindern nicht permanent bespaßen müssen.

Hilfe mein Kind langweilt sich Zuhause - und ich auch+

Familie einfach leben?

Viele Eltern sind tatsächlich überrascht, wie anstrengend es sein kann, sich den ganzen Tag um ein Kleinkind zu kümmern.

Während die Tage in den ersten Monaten noch stark von Schlaf und Hunger bestimmt sind, erleben viele Eltern in den Monaten um den ersten Geburtstag eine starke Veränderung in der familiären Dynamik.

Der kindliche Geist wacht langsam auf. Unsere Kinder entdecken ihre Umwelt fortan durch akribische Beobachtung und unermüdliche Nachahmung.

Warum es heute so schwer ist, Zeit mit Kleinkindern zu verbringen

Im heutigen Alltag finden Kinder jedoch immer weniger echte Aufgaben und Tätigkeiten.

Mahlzeiten kommen oft fertig aus kleinen Verpackungen. Schmutzige Wäsche landet wie von Zauberhand sauber und trocken im Schrank. Staubsaugerroboter reinigen die Wohnung, während wir unterwegs sind.

Statt vieler kleiner Arbeitsschritte, mit wiederkehrenden Mustern und sichtbarer Transformation erleben Kinder heute oft nur, wie wir Knöpfe drücken und Verpackungen öffnen.

Kinder erleben somit im Alltag abstrakte Funktionen statt konkreter, einfacher Arbeitsabläufe. Sie finden dadurch in ihrer Umgebung immer weniger, was ihren angeborenen Forscherdrang wirklich näht.

Von einer inneren Kraft getrieben, treten Kinder so ganz selbstverständlich in immer intensiveren Kontakt zu ihren Bezugspersonen.

Hilfe, mein Kind langweilt sich zuhause!

Der Eindruck entsteht, als würden unsere Kleinkinder permanent unsere Aufmerksamkeit einfordern. Als bräuchten sie eine Anleitung zur Beschäftigung. Als würden sie die „Bespaßung durch Erwachsene“ geradezu energisch und lautstark einfordern.

Und damit drücken sie bei uns oft die richtigen Knöpfe: Als Eltern wollen wir unsere Aufgabe schließlich gut machen. Wir möchten unsere Kinder zufrieden sehen. Und so begeben wir uns fast automatisch auf die Suche nach einer Lösung, auf die Suche nach „wertvoller Beschäftigung“.

Wir kaufen anregendes Spielzeuge, gestalten das Kinderzimmer nach pädagogisch wertvollen Konzepten und belesen uns.

Wir treffen eifrig Spielverabredungen und zweifeln vielleicht insgeheim, ob wir unseren Kindern Zuhause überhaupt „genug“ bieten können.

Nicht selten hört man in diesem Alter die ernüchternde Aussage: „Mein Kind langweilt sich zuhause!“

Vielleicht fragen wir uns, ob wir noch mehr Material oder mehr pädagogisches Know-how brauchen. Damit unsere Kinder endlich ausgelastet und zufrieden sind.

Eltern zu sein ist heute schwerer denn je.

Und oft sehen wir Eltern den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht.

Was Kinder wirklich brauchen

Was unsere Kinder wirklich brauchen – wonach sie fast rastlos jede wache Minute suchen. Das ist kein pädagogisch wertvolles Programm, kein neues Superspielzeug oder gar passive Bespassung.

Kleinkinder brauchen vor allem Bezugspersonen, die ihnen sinnvoll Aufgaben vorleben. Aufgaben, bei denen sie ganz selbstmotiviert zuschauen und anhand derer sie Schritt für Schritt lernen können.

Kleine Arbeitsschritte und in sich abgeschlossene Handlungen, die sichtbar einen Sinn ergeben. 

Was oft missverstanden wird – es geht nicht darum unseren Kindern vermeintlich wertvolle Aufgaben vorzuspielen oder sie aktiv aus ihrer Langeweile zu befreien.

Langeweile ist per se nichts Schlechtes und für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern sogar äusserst wichtig.

Kinder, deren Entdeckerdrang durch ihre Umgebung ausreichend genährt ist, können sich ab einem gewissen Alter auch wunderbar selbst beschäftigen.

Voraussetzung dafür sind Konzentrationsfähigkeit und ein nachhaltig gesättigter Geist.

Lernen – nicht als Selbstzweck

Wir können unserem Kind ein kleines Putzset kaufen und ihm zeigen, was man theoretisch mit Besen und Kehrblech macht. Wenn sie diese Arbeitsabläufe aber sonst nirgendwo im Haushalt sehen, werden die Arbeitsgeräte unter Garantier nach wenigen Tagen achtlos in der Ecke liegen.

Genauso verhält es sich mit Musikinstrumenten, Bastelutensilien – oder gar der kleinen Werkbank, die wir mit bester Intention aber ohne jegliche Relevanz zum echten Alltag ins Kinderzimmer stellen.

Kinder wollen in erster Linie nicht nur so tun als ob – sie wollen echte, handfeste Erfahrungen sammeln! 

Natürlich spielen grössere Kinder {ab etwa 2 – 2,5 Jahren} auch gerne mit einer „funktionslosen“ Spielküche. Dort geht es aber nicht um das Kochen oder eine Imitation der konkreten Zubereitung von Speisen.

Spielküchen und Co geben Kinder vielmehr einen spielerischen Rahme, um soziale Interaktion nachzuspielen.

Jemandem ein Gericht zu servieren, nach Essenswünschen zu fragen oder Gastgeber zu sein. Dies sind erlebte Elemente, die Kinder hier in ihrem Spiel ausprobieren und festigen.

Genau wie das Spiel mit Puppen, dem Arztkoffer oder Spielfiguren rückt bei älteren Kindern oft die soziale Komponente in den Vordergrund.

Was wir von unseren Kleinkindern lernen können

Online Strickkurse, DIY-Projekte aus dem Baumarkt, Getreidemischungen um eigenes Brot zu backen und Urban Gardening.

Dies sind nur einige der aktuellen Trends für Erwachsene.

Sie alle eint ihr Ursprung – nämlich, dass sich Erwachsene genau wie Kinder nach wertvollen Aufgaben, nach echter Handarbeit und sichtbaren Ergebnissen sehnen. 

Wie viel erfüllender ist es einen Kuchen selbst zu backen, statt einfach 500 ml Milch in eine fertige Kuchenmischung zu kippen? Wie besonders schmecken die ersten reifen Tomaten aus dem eigenen Beet? 

Immer mehr Menschen – und oft junge Eltern –  fangen an die Konsumgesellschaft in ihrer Bequemlichkeit zu hinterfragen. Fangen an, sich quasi freiwillig wieder mehr Arbeit aufzuhalsen!

Wir wollen nützliche Dinge mit unseren eigenen Händen erschaffen. Wir wollen sagen können „Das hab ich selbst gemacht – auch wenn es nicht perfekt ist!“.

Den Alltag wieder geniessen

Wenn wir also wissen möchten, was den Alltag unserer Kinder wirklich erfüllt – ich denke, es macht Sinn zu allererst bei uns selbst zu schauen!

Oftmals fällt es leichter unseren Wunsch nach einem (sinn-)erfüllten Leben auf unsere Kinder zu projizieren. Wir möchten ihren Alltag ganz bewusst mit wertvollen Aktivitäten und Inhalten zu füllen.

Aber wäre es nicht sinnvoll, diese Fragmente wirklich zu einem echten Teil unserer lebendigen Familienkultur zu machen?!

Wer seinen Alltag mit Kindern gestaltet, der wird feststellen wie gut es tut, den Tagesablauf mit handfesten Aufgaben und einem umfassenden Sinn zu füllen.

Statt isoliert und fokussiert darüber nachzudenken, was wir unseren Kindern bieten können, warum versuchen wir nicht darüber nachzudenken, wie wir als Familie unseren Alltag wertvoller gestalten können?


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