Kinder und Ordnung: Warum Aufräumen so anstrengend ist und was Eltern tun können

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Kinder und Ordnung

Google listet sage und schreibe 51,9 Millionen Einträge zum Thema „Kinder und Ordnung“. Eine enorme Zahl und ganz ehrlich; eine Zahl, die mich nicht verwundert. 

Bereits im Jahr 2015 zählte Aufräum-Ikone Marie Kondo laut TIME Magazin zu den 100 einflussreichen Menschen der Welt! Eine Frau wohlgemerkt, die über die Magie des Aufräumens schreibt und verspricht, dass uns Ordnung zu glücklicheren Menschen macht.

Ordnung, egal ob mit oder ohne Kinder, scheint also wirklich ein Thema zu sein, das Menschen auf der ganzen Welt beschäftigt.

Ordnung, der Schlüssel zum Glück?

Kern der „lebensveränderten KonMari Methode™“ ist: ausräumen, sortieren, ausmisten und wieder (ein-)ordnen.

Bleiben soll nur, was nützlich ist oder Freude macht. Eine sehr dehnbare Definition, wenn man mich fragt. 

Der Ursache, warum sich in vielen Haushalten überhaupt erst so viel Kram ansammelt, geht die Aufräum-Koryphäe leider nicht auf den Grund. 

Der Wunsch nach Ordnung – ein Warnsignal?!

Kann einmaliges Ausmisten und Ordnen unser volles Leben aber wirklich langfristig leichter machen? 

In ihrem Buch „Simplify your home“ gehen die zwei Minimalismus Expertinnen Cary Telander Fortis und Kyle Louise Quilici dieser Frage ausführlich auf den Grund. 

„Tatsächlich zeigt der Wunsch nach einem Ordnungssystem an, dass sich viel zu viel Kram angesammelt hat. {…} komplexe Ordnungssysteme bezwecken {aber leider} genau das Gegenteil dessen, was du beabsichtigst. {Sie} kosten Zeit und Geld in der Beschaffung, sind aufwendig aufzubauen und kosten fortwährend Energie im Unterhalt.“ 

Ordnung, eine vermeintliche Lösung also, die fortwährend Zeit kostet, statt Freiräume zu schaffen? Fügen wir diesem Umstand noch ein paar Kinder und einen Partner ohne überzogenen Ordnungs-Faible hinzu. Dann nimmt das Chaos zwangsläufig irgendwann wieder seinen Lauf! 

Reibung und ausweglose Diskussionen sind in diesem Szenario trotz guter Intention quasi vorprogrammiert! 

Ist der Wunsch nach Ordnung vielleicht wirklich nur ein Warnsignal oder gar Hilferuf im alltäglichen Stress aus zu viel Zeug und zu wenig Zeit

Ordnung, Grundbedürfnis oder kulturelles Erbe?

Pädagogin Donata Elschenbroich stellt in ihrem Buch „Weltwissen der Siebenjährigen“ die spannende Frage, wie Ordnung eigentlich zum Bedürfnis wird. Und, sie fragt, was Erwachsene meinen, wenn sie gegenüber Kindern vom Aufräumen sprechen. 

Tatsächlich ist Ordnung ein Thema, mit dem sich auch die Wissenschaft seit Jahrzehnten befasst. 

Forscher der Princeton University fanden beispielsweise heraus, dass Unordnung eine deutlich negative Auswirkung auf unser Stresslevel hat. Der permanente Stress versetzt unseren Körper in einen dauerhaften Aktivierungszustand, welcher wiederum zu körperlicher und geistiger Erschöpfung führt. Ein Symptom, das viele Erwachsene kennen und fürchten. 

Auch Pädagogen setzen sich immer wieder mit dem Thema Ordnung auseinander. So beispielsweise auch Maria Montessori: 

Kinder durchlaufen die sensible Phase für Ordnung zwischen etwa dem 2. und 4. Lebensjahr. Eine Zeit, in der sie besonders Wert auf Struktur, Routinen und Wiederholungen legen.vgl. „Kinder fördern nach Montessori“, Tim Seldin, 2007

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Entgegen der Hoffnung vieler Eltern, bedeutet die sensible Phase der Ordnung aber leider nicht, dass Ordnung ein Selbstläufer ist. 

Im Alter zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr versuchen Kindern den Dingen um sich herum einen Sinn zu geben. Sie fangen an Muster zu erkennen und bilden darüberhinaus ein eigenes System der Zusammenhänge. 

Die äußere Ordnung ermöglicht in dieser Phase den Aufbau einer inneren Ordnung! Lieder nicht anders herum. Für uns Eltern ist dies ein wichtiger Hinweis, um nachhaltig über die Ordnung nachzudenken, die wir unseren Kindern tagtäglich – bewusst oder unbewusst – vorleben.

Mehr ist schließlich mehr?!

Wenn Ordnung also ein Grundbedürfnis des Menschen ist, warum fällt es uns dann so schwer diese Ordnung zu finden beziehungsweise sie zu halten? Könnte es sein, dass unser Problem mit der Ordnung vielleicht hausgemacht ist? 

Laut statistischem Bundesamt besitzt der durchschnittliche erwachsene Westeuropäer heute etwa 10.000 Dinge. Wie viele Gegenständer er davon tatsächlich aktiv (ge-)braucht, das lässt die Statistik offen. 

Bei einer durchschnittlichen Wohnfläche von 46,7 qm pro Kopf kommen so rein statistisch gesehen 214 Dinge auf jeden qm unserer Wohnung. 

Ein durchaus plausibler Grund, warum viele Menschen früher oder später großes Interesse an Aufräumtipps und komplexen Ordnungssystemen haben. 

Das Leben und Ordnen in der modernen Überflussgesellschaft

Was macht ein Zuhause überhaupt zu einem aufgeräumten, einem ordentlichen Zuhause?

Donata Elschenbroich beschreibt hier so herrlich entwaffnend unseren gesellschaftlichen Ist-Zustand: 

„Aufräumen, den {zahlreichen} Dingen um {uns} herum eine Ordnung geben, die dem nächsten Erwachsenen auch gefällt.“ 

In Zeiten von Pinterest und Hochglanz Magazinen kennen viele von uns das gesellschaftliche Idealbild einer Wohnung. Übersichtlich, mit ausgewählter Deko und möglichst wenig sichtbarem Kram. Ja, das Auge ruht – aber irgendwo müssen unsere 10.000 Dinge pro Person ja schließlich hin?! 

Und so mieten wir ordnungsliebenden Erwachsenen extra Storage an, vakuumieren feinsäuberlich die letzte Saison, stapeln im Keller Boxen, kaufen Boxen, beschriften Boxen, räumen weg, räume ein und entsorgen erleichtert das, was uns keine Freunde mehr macht. 

Und der Rest der Familie? Der schaut zu und wundert sich! Ist das wirklich diese Ordnung, von der die Erwachsenen völlig entnervt reden?

Ordnung, ein Bedürfnis also, das zur tagtäglichen Zerreißprobe mutiert. 

Boxen, Regale und Schubladen – randvoll aber immerhin KonMari-mäßig nach Kategorien sortiert. Spielsachen, das abends oder wenn Besuch kommt unbedingt wieder in eine Box zurück muss. Nur, um es dann später wieder ausgeräumt zu werden?! Warum dürfen die Autos nicht einfach mit den Holztieren in der Ecke liegen? 

Ordnung – „{…} wenig ist so von Kind zu Kind verschieden wie das Bedürfnis danach, die Fähigkeit dazu, oder die Übereinstimmung seiner Vorstellungen mit denen der tonangebenden Erwachsenen.“

Die Eltern, das lebendes Vorbild! 
Im positiven wie im negativen Sinne. 

Wenn wir als Eltern keine objektiv sinnvolle Ordnung leben, wie können wir es dann ernsthaft von unseren Kindern erwarten? 

Wenn wir uns nicht selbst kritisch damit auseinandersetzen, warum wir so extrem viel besitzen – so viel, dass es uns stresst und unglücklich macht – wie wollen wir es dann unseren Kindern vermitteln? 

Und, wie wollen wir diesen destruktiven Kreislauf aus zu viel Zeug, zu wenig Zeit jemals durchbrechen? Als hätten Familien nicht eh schon genug um die Ohren! 

Ordnung und Kinder

Vielleicht braucht es einfach noch mehr Tipps und Expertenwissen?

„Die Ratschläge, wie das Nebeneinander unterschiedlicher Erwartungen an Ordnung {…} – welches Ding an welche Stelle gehört, ob jedes Ding an eine bestimmte Stelle gehört – zwischen Eltern und Kinder ausgehandelt werden soll, füllen Regale der Ratgeberliteratur. Sie geben Aufschluss über die Sitten zwischen den Generationen.“

Ich muss unweigerlich an all die perfekten Wohnungsbilder denken, die wir heute in den Sozialen Medien und Magazinen sehen. Meine eigenen nicht ausgenommen. 

Ordnung und Kinder? „Klar, ich hab für das Foto extra aufgeräumt…“, „Natürlich sieht es hier nicht immer so ordentlich aus…“ 

Nur warum zeigen wir es dann nicht? Warum fühlen wir uns mit dem gelebten Alltag so unwohl? Und wie viel Schmutzradierer und Styling verträgt das echte Familienleben eigentlich? 

Mein Zuhause ist unser Zuhause

Unser Zuhause; kunstvoller Ausdruck meiner Persönlichkeit oder doch gleichberechtigter Lebensraum für alle? 

Mein kulturell geprägtes Bedürfnis nach erwachsener Ordnung; wichtiger als ihr angeborenes Sinn nach spannender Haptik, visueller Vielfalt, vestibulären Reize und Tiefensensibilität? 

„Aus dem {internationalen} Abstand erscheint Deutschland überaufgeräumt, intolerant gegenüber Spuren des Alters. Intoleranz gegenüber Alter und Gebrauchsspuren korrespondiert mit Intoleranz gegenüber den Spuren von Kindheit.“ 

Ordnung – ein Bedürfnis; keine Grenze

Natürlich sollen sich in einer Familie alle wohl fühlen, aber meinen wir es auch wirklich so, wenn wir es sagen? Und ist das angesichts der Unmengen an Dingen, die wir in unser Leben lassen überhaupt möglich? 

Kann es vielleicht sein, dass Ordnung und die Konflikte, die daraus resultieren wirklich nur ein Symptom unseres ungesunden Konsumverhaltens sind. Könnte die Lösung, nach der Viele so händeringend suchen tatsächlich nicht vornehmlich in Ordnung, sondern bewusstem Konsum liegt? 

Eine Frage, die letztlich nur jeder ganz individuell für sich selbst beantworten kann! 

Was Eltern tun können

Klar ist – Menschen haben ein sehr unterschiedliches Bedürfnis nach Ordnung. Und vieles von dem, was unseren erwachsener Sinn für Ordnungausmacht ist unterbewusst stark durch unsere Kultur und die eigene Erziehung geprägt. 

Wichtig ist es daher, die eigenen Bedürfnisse zu kennen, sie immer wieder kritisch zu hinterfragen und anschließend kommunizieren zu können. 

Genau so wichtig ist außerdem der ehrliche Respekt vor den Bedürfnissen anderer – grade innerhalb der eigenen Familie! 

Wenn wir also zu dem Schluss kommen: Ordnung; ja, es ist und es bleibt kompliziert! Dann finde ich diese zwei Gedanken von Donata Elschenbroich richtungsweisend: 

„Die Erwachsenen können dem Kind ihre eigenen Ordnungsvorstellungen zeigen, als Bedürfnis, nicht als Grenze.“ 

Denn: 

„Erwachsene haben heute kein Ordnungssystem für die Zukunft, das müssen wir begriffen haben.“ 

Wir können unseren Kinder also erklären und zeigen, weshalb wir bestimmte Elemente der Ordnung schätzen oder wie sie uns den Alltag erleichtern. Aber wir können nur gemeinsam an den Werten innerhalb unserer Familie arbeiten. 

Ordnung – man kann sie Kindern nur vorschlagen.
Vorbild sein, Sinn stiften! 

Puh, das war ein ausschweifender Beitrag. Und mit diesen Gedanken möchte ich für heute auch enden. Ich bin gespannt, was sie in dir auslösen und welche Schlüsse du für dich ziehen kannst. 

Im Archiv findest du weitere Artikel rund um Minimalismus für Familie.

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